In einer Pressekonferenz am 26.7. hat der DWD seine Klimaprognose 2011 vorgestellt. Dies ist in diversen Medienberichten und Blogartikeln bereits kommentiert worden. Die alarmistisch effektheischende Grafik, welche prognostizierte Temperaturentwicklungen maßstabsverzerrend den gemessenen Temperaturreihen anfügt, ist in dem Artikel DWD veröffentlicht ein Fehlersuchbild bei Science Skeptical am deutlichsten entlarvt worden.
Halbwahrheiten und Beinah-Lügen
Auf der Pressekonferenz bezeichnete Müller-Westermeier, Leiter Klimaanalyse des DWD, das 1.Halbjahr 2011 als „zu warm, zu trocken und zu sonnig“. Das mag sein, aber nur im Vergleich zum Referenzzeitraum. Es ändert nichts am derzeit nahezu gleichbleibenden Temperaturniveau — vergleiche Abbildungen 1 und 2. Weiter führte er aus:
„Die ersten sechs Monate 2011 zeigen aber, daß der Erwärmungstrend in Deutschland wie auch weltweit ungebrochen ist.“ … „Inzwischen ist, wie gerade für 2011 geschildert, auch in Deutschland der Erwärmungstrend meßbar zurückgekehrt.“
Diese Feststellungen sind nicht weit von einer Lüge entfernt, denn der DWD hat Kenntnis seiner eigenen Daten, welche in den letzten knapp 30 Jahre (also klimatisch relevant) eine Verlangsamung des Erwärmungstrends, und in den letzten 21,5 Jahren sogar einen nahezu zum Erliegen gekommenen Erwärmungstrend zeigen. Müller-Westermeier erzählt also schon für den aufmerksamen Laien erkennbaren Unsinn. Der Erwärmungstrend ist eben NICHT zurückgekehrt. Dazu bedarf es mehr als eines Halbjahres, welches lediglich eine unterdurchschnittliche Mitteltemperatur (7,8 Grad) wieder anhebt. Wir befinden uns immer noch unter der linearen Trendlinie 1989 – 2010, wie Abbildung 1 zeigt.
Merkwürdig auch, daß Müller-Westermeier davon spricht, der Erwärmungstrend sei “meßbar zurückgekehrt”. Er war also zuvor unterbrochen gewesen? Es wäre höchst interessant, wenn der DWD in Person des Herrn MÜller-Westermeier doch mal erklären könnte, wo und wann die Temperaturreihen des DWD eine Unterbrechung des Erwärmungstrends zeigen. Ich kann mich nicht erinnern, daß der DWD sich in dieser Weise jemals geäußert hätte.
Es stellt sich auch die Frage, welche Kriterien denn der DWD unterstellt, nach denen ein Erwärmungstrend als „gebrochen“ betrachtet werden kann? Aus klimatischer Sicht sollte das spätestens nach 30 Jahren der Fall sein. Und es wäre wirklichkeitsferne Buchhalterei, den Trend 29,99 Jahre als „ungebrochen“ anzusehen, und dann nach 30 Jahren schlagartig als gebrochen. Tatsächlich verfestigt sich das Ende des Erwärmungstrends Jahr um Jahr, bis die klimatische Relevanz nach 30 Jahren nicht länger bestritten werden kann. Diese 30 Jahre sind zu mehr als zwei Drittel bereits erreicht.
Die letzten 30 Jahre
Auch sonst geht der DWD mit den vorliegenden, 130 Jahre zurückreichenden Temperaturreihen eher buchhalterisch denn objektiv um. Es gibt keinen für die Naturbeobachtung ausreichenden Grund, der einen festen Anfangs/Endpunkt eines Jahres rechtfertigen würde, sondern nur historische und zivilisatorische Gründe. Diese Willkürlichkeit spiegelt sich wider in einer Vielzahl von Jahresdefinitionen mit unterschiedlichem Anfangs/Endpunkten: Meteorologisches, Hydrologisches, Tropisches, Siderisches Jahr, Schuljahr, Studienjahr, Lebensjahr etc. pp.
Es ist objektiver und nützlicher, ein Jahr als den Zeitraum zu betrachten, in dem die Erde genau einen Umlauf um die Sonne vollendet – gleichgültig welcher Anfangs/Endpunkt der Umlaufbahn gewählt wird. Die Auswertung der letzten knapp 30 Jahre Mitteltemperatur in Deutschland, mit einen gleitenden Jahresmittelwert auf Quartalsbasis (3-Monats-Abschnitte), zeigt deshalb deutlich besser die tatsächlichen „wärmsten“ und „kältesten“ Jahre der Temperatur-Historie. Als willkommener und beabsichtiger Nebeneffekt werden so auch die ersten 6 Monate von 2011 erfasst:
Der Zeitraum, in welchem kaum noch ein Temperaturanstieg in Deutschland erkennbar ist, scheint sich mehr und mehr klimatischer Relevanz zu nähern. Er dehnt sich nun schon über 21,5 Jahre aus.
Der offiziell zuletzt verkündete Jahresmittelwert (7,8 Grad) steigt wieder an. 04/2010 – 03/2011: 8.4 Grad, 07/2010 – 06/2011: 8.95 Grad. Kleine Überraschung und netter Nebeneffekt, der den Freunden der ungebremsten Erwärmung (sprich: Alarmisten) „leider“ entgangen ist: die Rekord-Durchschnittstemperatur des Jahres 07/2006-06/2007 mit 11,3 Grad. Dies entlarvt die durch den DWD verkündeten und von der Presse nachgeplapperten angeblichen Rekordjahre 2000 und 2007 (9,9 Grad) als Artefakte eines starren Betrachtungsrahmens mit beschränkter Wirklichkeitsnähe.
Die unterschiedlichen Extremwerte einer auf gleitenden Mittelwerten und einer auf starrem Zeitraster basierenden Darstellung haben geringe Auswirkungen auf den Temperaturtrend. Um dies deutlich zu machen, hier der gleiche Zeitraum auf Kalender-Jahresmittelwerten basierend:
Der Temperaturtrend ist deshalb nicht völlig identisch, weil a) die ersten 6 Monate 2011 fehlen, b) mathematische Ungenauigkeiten sich summieren, c) der Trend durch Extremwerte umso stärker beeinflußt wird, je kürzer der Trendzeitraum ist. Die statistische Unsicherheit wird immer größer. Das ist auch der Grund, warum ich einen 11-Jahrestrend vermieden habe.
Der gesamte Temperaturanstieg der letzten 29,5 Jahre fand demnach zu 77% (86%) in den ersten 8 Jahren statt. Die übrigen 23% (14%) strecken sich über 21,5 Jahre und sind mit 0,012 (0,0066) Grad pro Jahr so gering, daß dies kaum als signifikant betrachtet werden kann. Anders ausgedrückt: über die letzten 21,5 Jahre kann man schwerlich mit ausreichender statistischer Relevanz von einem Temperaturanstieg in Deutschland reden! Darüberhinaus sind die letzten 11 Jahre zumindest ungeeignet, eine Beschleunigung des Anstiegs zu erwarten.
Vabanque-Spiel mit dem Betrachtungszeitraum
Es scheint mir immer ein Vabanque-Spiel zu sein, wie weit man den betrachteten Zeitraum verkürzen kann. Aus zu kurzen Zeitabschnitten abgeleitete Schlussfolgerungen sind mit zunehmenden Unsicherheiten belastet, weshalb ihr Wert sehr fraglich ist. Insbesondere die polynominale Trendlinie dieser 11-Jahres-Grafik ist durch das 1.Halbjahr 2011 bereits vollkommen überholt. Sind die Zeitabschnitte besonders lang, dann wiederum werden jüngere Veränderungen der Temperaturentwicklung kaschiert. Der polynominale Trend über diesen Zeitraum mag ja korrekt sein – verschleiert aber gleichzeitig die von 1989 bis 2011 nahezu gleich bleibende Temperatur:
Sowohl Alarmisten als auch Skeptiker neigen — menschlich verständlich — dazu, Zeitmaßstäbe zu instrumentalisieren, wenn sie so ihre jeweilige Position stärken können. Allerdings: Alarmisten üben vollkommen unverhältnismäßige Meinungsmacht aus! Sie schrecken dabei nicht einmal davor zurück, wenige Monate dauernde Zeitabschnitte propagandistisch als klimatisch relevant aufzublasen. Dazu gehört leider auch der DWD in Person des oben erwähnten Herrn Müller-Westermeier. Daher ist es vollkommen gerechtfertigt, wenn klimaskeptische Quellen der Verschleierung kurzfristiger Trends entgegentreten. Und sei es mit 11-Jahres-Statistiken.
- Science Skeptikal: Der DWD veröffentlicht ein Fehlersuchbild (23.8.11)
- EIKE: Neue fragwürdige Temperaturgrafik des DWD (21.8.11)
- EIKE: DWD verschweigt: Deutschland wird kühler (30.7.11)
- Badische Zeitung: Wetterdienst: Bis 2100 bis zu vier Grad wärmer (26.7.11)
- Welt: Deutschland erhitzt sich um bis zu vier Grad (26.7.11)
- Klima-Pressekonferenz des DWD vom 26.7.11
- Pressemitteilung des DWD vom 26.7.11
- Download DWD Temperaturdaten Deutschland 1901 – 2010